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Ernst Sprung: Was mache ich in Bratislava?

Ernst Sprung, geb. 1907 in Nagyvaszony (Ungarn), Kriminalbeamter in Wien, polizeiliche Amtshandlungen gegen illegale Nationalsozialisten (u. a. im Zuge des NS-Julitputsches 1934). Verhaftung am 11. März 1938, Mitte Juli 1938 Überstellung in das KZ Dachau. Februar 1941 Entlassung, Einberufung zur Arbeitskompanie der Kriegsmarine.

1945 Wiedereintritt in den Polizeidienst. Ehrenvorsitzender der KZ-Lagergemeinschaft Dachau. Publizistische Tätigkeit.

Verstorben 1992.

 

 

[Wien, 11. März 1938]

 

Am Hof - da war die Vaterländische Front[-Zentrale] - und da war dann noch der Guido Zernatto [Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Generalsekretär der Vaterländischen Front], und der Fahrer vom Guido Zernatto war der nachmalige Kriminalbeamte [Franz] Kriklan. "Servus", sag ich. "Was ist? Was machts denn? Habts die Hosen voll?" Sagt er: "Nein. Wir fahren jetzt in einer halben Stunde nach Bratislava. Willst mitfahren?" Sag ich: "Bist du deppert, was mache ich in Bratislava? Warum soll ich? Uns geschieht doch nichts, wir haben doch nur unseren Dienst gemacht, sonst nichts." Denn wenn einer [der Kriminalbeamten] einen Übergriff gemacht hat, dann war es ja Wurscht, ob er ihn gegen einen Nazi oder gegen einen anderen gemacht hat. Sagt er, ich soll nicht deppert sein. Sag ich: "Nein, ich fahre nicht mit. Wir haben doch nichts zu befürchten."

 

Der Fahrer ist später auch verhaftet worden, weil er den Zernatto weggebracht hat. Kriminalbeamte sind faktisch keine geflohen. Also wir waren weniger feig, muss ich ehrlich sagen.

 

Wie ich gesehen habe, oh je, da gehen schon alle - ich habe ja die meisten gekannt - und marschieren [mit den Nationalsozialisten], habe ich mir gedacht, gehst nach Haus. Ich habe im 4. Bezirk gewohnt. Ich wollte mich niederlegen, auf einmal läutet 's. Es war so zwischen zehn und elf. Da waren Zivilisten und ein Kriminalbeamter, dem ich dienstlich einmal zugeteilt war. Das Erste war, ob ich illegal bei der Partei bin. Das war nämlich der Schlager, hätte ich ja gesagt, dann wäre mir nichts passiert, denn - wirklich - Leute, die als Nazi-Fresser bekannt waren, haben im Februar [1938] schön für die Partei gezahlt, waren also noch illegal. [...]

 

Also ich bin verhaftet, ins Präsidium gebracht worden und erst in den frühen Morgenstunden ins Gefangenenhaus. Dort bin ich hin- und hergeschoben worden, eine Vernehmung habe ich nie gehabt. Dann bin ich in den Notarrest Hermanngasse gekommen, weil dort Platz war. Und von dort plötzlich nach Dachau. Ohne Vormeldung, gar nichts. Ich habe nur erfahren, morgen in der Früh alles zusammenpacken, sonst hast ja nichts gehört. Gemma! Das war Mai, Juni, so was. Ich weiß es gar nicht. Es war einer der großen Transporte.

 

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