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Otto Horn: Mein Vater entwaffnete mich

Otto Horn, geb. 1923 in Wien, Bauabrechner. Nach den "Nürnberger Gesetzen" "Mischling 1. Grades". Betätigung für die Widerstandsorganisationen "Sonderabteilung NN" und "Wiener Mischlingsliga", die Verfolgte nach den "Nürnberger Gesetzen" zusammenfasste. Festnahme Ende Februar 1944, am 21. September 1944 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis 6. April 1945 in Haft.

Nach der Befreiung 1945 Rückkehr nach Wien. Journalist und Schriftsteller.

Verstorben 1991.

 

 

Die Eltern meines Vaters stammten beide aus konvertierten jüdischen Familien und mein Vater war am Tag seiner Geburt getauft worden. Nach den so genannten "Nürnberger Gesetzen" war er aber "Volljude". Meine Mutter stammte aus dem "Bandlkramerlandl", aus dem Waldviertel. Ihr Vater war Schweizer Staatsbürger und Sticker, er hatte seinen eigenen Stickstuhl und war als Stickmeister für eine Fabrik tätig.

 

Mein Vater kam aus dem Großbürgertum, meine Mutter aus einer ärmeren ländlichen Familie, die sehr katholisch war. Meine Mutter selbst war ebenfalls streng katholisch, aber sowohl mein Vater als auch meine Mutter gehörten während der Ersten Republik der sozialdemokratischen Partei an. Mein Vater war Bankbeamter und wurde während der großen Wirtschaftskrise 1929/30 abgefertigt und von einem Tochterbetrieb dieser Bank als Vertreter angestellt. Meine Mutter war bis zum "Anschluss" Lehrerin, dann wurde sie aus "rassischen Gründen", also wegen ihrer "jüdischen Versippung", in Pension geschickt. [...]

 

Die Tatsachen, die ich in der Nacht des Einmarsches der Deutschen von meinem Vater erfuhr, prägten entschieden mein späteres Leben und natürlich auch meine Haltung gegenüber den Nazis. Ich leistete vom ersten Tag an Widerstand. Am 15. März, als Hitler nach Wien kam, steckte ich den Revolver meines Großvaters ein, um Hitler zu erschießen. Aber mein Vater entwaffnete mich mit den Worten: "Auf so etwas warten die Nazis nur." Sie haben aber keineswegs darauf gewartet, denn auch ohne Attentat auf Hitler haben sie die Juden bis zur Vernichtung verfolgt.

 

In der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 bin ich erwachsen geworden. Ich war damals noch nicht 15 Jahre alt, aber das Wissen um meine Familie hat einen Reifungsprozess ausgelöst.

 

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