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Bruno Kreisky: Ich war ja niemand

Bruno Kreisky, geb. 1911 in Wien als Sohn einer liberalen jüdischen Großbürgerfamilie. Studium an der Universität Wien, Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend, nach 1934 in der Revolutionären Sozialistischen Jugend, Verhaftung im Jänner 1935, einer der Hauptangeklagten im Sozialistenprozess 1936, wegen "Hochverrats" zu 1 Jahr Kerker verurteilt, Haft im Anhaltelager Wöllersdorf. Erneute Widerstandstätigkeit ab Herbst 1937. Nach Gestapohaft März-August 1938 Ausreise über Dänemark nach Schweden. Ab 1943 Vorsitzender des Repräsentationsausschusses der Österreicher in Schweden.

1946 Rückkehr nach Wien, 1951-1953 Präsidentschaftskanzlei, 1953-1959 Staatssekretär, 1959-1966 Außenminister, 1967-1983 Bundesparteivorsitzender der SPÖ, 1970-1983 Bundeskanzler, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale.

Verstorben 1990.

 

 

Allmählich sind SS-Leute, und zwar Waffen-SS-Leute, nach Schweden gekommen, und ich habe Lager besucht und ihnen gesagt: "Wir haben in Österreich bereits eine provisorische Regierung; wer sich als Österreicher bekennt, soll weggehen. Die Schweden lassen diese Aussonderung zu." Da ist einer aufgesprungen: "Kameraden, waren uns unsere deutschen Kameraden gut in den schweren Zeiten des Krieges, müssen sie uns auch jetzt gut sein." Und es ist praktisch niemand hervorgetreten, weil niemand mir geglaubt hat, dass es das gibt. Es hat niemand dazu Vertrauen gehabt. Mit dem Effekt, dass damals die Alliierten verlangt haben, dass dieses Waffenstillstandsabkommen durchgeführt wird und diese Soldaten alle unter dem Kommando der deutschen Offiziere an die Sowjetunion ausgeliefert wurden. Ich war ja niemand, ich war so ein Vereinsfunktionär und bin von Pontius zu Pilatus gerannt, bin dann zum Möller gekommen, das war der allmächtige Sozialminister, ein Freund von mir. Der hat sich dann entschlossen, mit der Frau Alexandra Kollontai [damals Botschafterin der Sowjetunion in Schweden] zu reden. Der König hat auch interveniert, der alte König, Gustav V., und Frau Kollontai hat nach einiger Zeit etwas gesagt, was sie auch gehalten hat: Sie wisse, dass das eine furchtbare Belastung für uns alle ist, auch für die Schweden. Sie könne die Verantwortung dafür übernehmen, dass diese Gefangenen nicht als Kriegsverbrecher behandelt werden - wie das damals die russische Praxis war -, sondern als Kriegsgefangene, sodass sie nach einiger Zeit damit rechnen könnten, nach Österreich zurückgestellt zu werden. Das haben die Russen gehalten. Das weiß ich deshalb, weil die ihr Gepäck bei uns in Verwahrung gelassen haben, als sie wegmussten, und wir haben dann gegen persönliche Bestätigung über die Volkshilfe in Wien diese Effekten den Leuten innerhalb von zwei Jahren zur Verfügung gestellt. [...] Viel Erfolg haben wir beim Organisieren der Lebensmittelhilfe gehabt. Für Österreich, für Hilfsaktionen, für die Kinderhilfe und für die Ausrüstung der Feuerwehr. Die Feuerwehr hat keine Monturen gehabt, das Schuhwerk war katastrophal. Und da hat man mir als dem Verantwortlichen von österreichischer Seite die Ausrüstung eines ganzen Panzerkreuzers für die Wiener Feuerwehr geschenkt. Die haben plötzlich herrliche Stiefel und wasserdichtes Zeug bekommen. Dann haben wir unter anderem für Tausende Kinder Nahrungsmittel bekommen, immer wieder. Die Aktion ist ja sehr lange gegangen. Das war eine sehr beachtenswerte Leistung für Schweden, und das hat zum Teil die österreichische Emigration in Schweden, die dort einen guten Namen gehabt hat, erreicht.

 

Politisch lässt sich sagen, dass wir es furchtbar schwer gehabt haben, Kontakte mit der Heimat zu finden. Die Amerikaner waren so intransigent, dass sie ein Flugzeug der Europahilfe, das im Herbst 1945 schon über Langenlebarn war, zurückgeschickt haben und nicht landen ließen, nur weil sie geglaubt haben, ich sei in dem Flugzeug drinnen. Sie haben mir die Einreise nach Österreich verweigert. Die Gründe hierfür sind mir heute noch nicht bekannt. Ich habe nie erfahren, was da war.

 

Dann hatten wir ein sehr interessantes Phänomen in Schweden. Wir hatten viele Hundert Militärflüchtlinge, die aus der deutschen Armee geflüchtet sind, oft über 20 Tage lang in der finnischen Tundra gewandert sind, um nach Schweden zu kommen. Da war es uns gelungen, die Überstellung eines Floridsdorfer Gärtners [an die Deutsche Wehrmacht] zu verhindern. Diese Flüchtlinge haben dann erreicht, dass sie als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Das war natürlich eine wertvolle Ergänzung, denn bis dahin waren ja die österreichischen Emigranten zum Teil Juden, zum Teil Sozialdemokraten, aber sehr wenige, und das nichtjüdische Element war praktisch kommunistisch. Dadurch, dass diese ganzen Bergbauernsöhne gekommen sind, hat das Ganze einen neuen Charakter bekommen. Die waren eigentlich alle eher antikommunistisch und haben sich der Mehrheitsfraktion angeschlossen. Wir haben auch eine sehr gute Organisationsarbeit geleistet. Dazu kam, dass auch ein paar Geistliche mitgetan haben. Aber das Interessante war, dass z. B. junge Kärntner, die aus dem slowenischen Teil Kärntens gekommen sind, sich nicht angeschlossen haben. Sie haben eigentlich damit gerechnet, dass ihr Teil Kärntens zu Jugoslawien kommt; sie haben sich nicht zu Österreich bekannt. Das waren nur ganz wenige, aber es waren Geistliche unter ihnen, die in Kärnten, wie es damals schon üblich war, nicht aus der Mehrheitsbevölkerung kamen.

 

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