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Anna Hájková: Kranksein in Theresienstadt

Nachdenken über Medizingeschichte im Holocaust

DÖW-Kooperation: Simon Wiesenthal Lecture am 10. März 2016

 

"Erst nach dem Krieg wurde mir bewusst, dass er eigentlich Leute operierte, die für den Tod bestimmt waren. Aber er war vor allem einmal Arzt", erinnerte sich die ehemalige Krankenschwester Emilie Valentová 1979 an ihren ehemaligen Chef, Richard Stein, den so herausragenden Augenarzt, der seine Karriere in Brno begann, sie in Theresienstadt fortsetzte und nach seiner Emigration schließlich zum Begründer der Augenheilkunde in Israel wurde. In einer Umgebung des Hungers, der Angst vor den Transporten in die Vernichtungslager und inmitten der zusammengepferchten Menschen funktionierte die medizinische Versorgung im Ghetto Theresienstadt dennoch gut, und das Gesundheitswesen war vielleicht die bestorganisierte Abteilung der jüdischen Selbstverwaltung.

 

Auch wenn Krankheiten die Erfahrungen der Holocaustopfer maßgeblich definierten, gibt es überraschend wenig Forschung zur ärztlichen Versorgung der Opfergesellschaft. Die Medizingeschichte des Holocaust untersuchte in erster Linie die medizinischen Zwangsversuche in den Konzentrationslagern sowie die Euthanasie oder widmete sich Biografien jüdischer Ärzte. Der Vortrag wird sich demgegenüber auf die Geschichte der eigentlichen medizinischen Versorgung Theresienstadts konzentrieren, sich mit den Ärzten, den Krankheiten und Patienten des Lagers beschäftigen. Mit diesem Blick auf medizinische Fürsorge in Extremsituationen wird nach den Kontinuitäten und Diskontinuitäten des Medizinerberufs gefragt und erkundet, welchen Platz Richard Steins Augenoperationen in der Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts einnehmen.

 

Anna Hájková ist Assistant Professor der modernen kontinentalen Geschichte an der University of Warwick. Ihr Buchmanuskript The Last Ghetto: An Everyday History of the Theresienstadt Ghetto, 1941-1945 erhielt sowohl den Irma-Rosenberg- als auch den Herbert-Steiner-Preis. Sie ist Mitherausgeberin der Theresienstädter Studien und Dokumente sowie von Alltag im Holocaust: Jüdisches Leben im Großdeutschen Reich, 1941-1945. 2015/16 ist sie Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität Erfurt.

 

 

Veranstalter: Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) in Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, dem Österreichischen Staatsarchiv und dem DÖW

 

Zeit:

Donnerstag, 10. März 2016, 18.30 bis 20.00 Uhr

 

Ort:

Dachfoyer des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Minoritenplatz 1, 1010 Wien

 

 

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