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"Sie gingen den anderen Weg" - Organisierter Widerstand in Österreich

Viele der kommunistischen Propagandaaktivitäten, wie Streu- oder Schmieraktionen, wurden von Angehörigen des illegalen Kommunistischen Jugendverbandes durchgeführt. Diese versuchten nicht nur, die Hitler-Jugend zu unterwandern, sie schickten auch antinationalsozialistische Briefe an junge Soldaten und stellten illegale Schriften wie die Zeitschriften "Soldatenrat" oder "Die rote Jugend" her. Der nationalsozialistische Repressionsapparat richtete sich mit erbarmungsloser Härte gegen diese jungen AktivistInnen, von denen viele im Alter von knapp zwanzig Jahren hingerichtet wurden.

 

Walter Kämpf (Foto: DÖW)

Der Chemiker Walter Kämpf (1920-1943) war als führender Funktionär des Kommunistischen Jugendverbandes maßgeblich an der Herstellung illegaler Zeitungen, Streuzettel und Flugblätter beteiligt. Er wurde wie andere AktivistInnen des Kommunistischen Jugendverbandes von Gestapo-Spitzeln verraten. Walter Kämpf wurde am 2. 11. 1943 im Landesgericht Wien hingerichtet. (Foto DÖW)

 

 

"Die Spitzel sind 'Herta - Olga - Gretl - Sonja', wohnt im 14. Bez. in der Selzergasse Nr.? bei Glaser oder Gläser. Dieser ist ihr Freund - Spitzel 'Ossi'. Weiters Brüder Kutni [richtig: Koutny], Ziegelofengasse 25, deren Schwester Hermine und 'Kahane' - Hertas Bruder? Diese verrieten unter anderem auch Fredis Bruder. Auch über mich und meine Freunde (auch 9. Bezirk) ist daher auch alles restlos bekannt. [...] Warnt Parteigenossen vor Spitzeln, die ich nannte. Sitzen alle in Parteileitung (Jugend war rein) und lassen jedes neue Z.K. hochgehen, zum Teil alte Funktionäre, die sich von der Gestapo ihr Leben erkaufen. [...] Gestapo bringt jeden mit mittelalterlichen Foltern zum Speiben [= Geständnis]. [...] Regierungsrat Höfler schlug mich viel und ließ mich auf Händen aufhängen. In Fritzl (hat nur eine kranke Niere) ließ er 8 Liter Wasser hineingießen, dann drohte er mit weiteren 5 Litern, führte [ihn] auf die Liesl [= Polizeigefangenenhaus Elisabethpromenade, später Roßauer Lände] und zeigte ihm durchs Guckerl seine Mutter, die erst nach seinem Geständnis freigeht. Da spie er Abziehapparat. [...] und musste wirklich alles speiben bis auf Pospischil, über den außer mir niemand wusste."

Textauszug aus einem "Kassiber" (= aus dem Gefängnis geschmuggelte Nachricht) Walter Kämpfs

 

 

Getarnt als "französische" ArbeiterInnen

 

Anfang 1943 kehrten mehr als 40 kommunistische WiderstandskämpferInnen, viele von ihnen nach den "Nürnberger Gesetzen" Juden und Jüdinnen, die nach Frankreich geflüchtet waren, nach Österreich zurück. Getarnt als französische "FremdarbeiterInnen" sollten sie dem Widerstand neue Impulse geben. Nachdem im Frühjahr 1943 die Gestapo einen der Gruppe festgenommen und ihm durch Folter die Namen anderer AktivistInnen abgepresst hatte, wurden diese verhaftet, brutalen Verhören unterzogen und zum Großteil in Konzentrationslager deportiert. Eine Gruppe von Wiener Gestapobeamten reiste in das von NS-Deutschland besetzte Frankreich und verhaftete zwischen Herbst 1943 und Frühjahr 1944 viele der in Paris und Lyon aktiven österreichischen WiderstandskämpferInnen.

 

Selma Steinmetz (Foto: DÖW)

Die im Widerstand in Frankreich tätig gewesene Wienerin Dr. Selma Steinmetz berichtete in ihrer Zeugenaussage am 28. 6. 1946 vor der Polizeidirektion Wien über ihre Misshandlung durch den Gestapobeamten Eduard Tucek im Juni 1944 in Lyon. (Foto DÖW)

 

Eduard Tucek (geboren 1901 in Wien, seit 1928 im Polizeidienst, 1941 zur Gestapo-Leitstelle Wien) wurde 1943/44 mit einigen anderen Wiener Gestapoleuten nach Frankreich entsandt, um die dortigen österreichischen WiderstandskämpferInnen auszuforschen. 1947 wurde er in Frankreich zu fünf Jahren Kerker verurteilt. In Österreich wurde gegen ihn kein Verfahren mehr eingeleitet.

 

 

 

"Tucek wollte von mir unbedingt die Namen und Adressen von denjenigen wissen, mit denen ich in Verbindung gestanden bin und die für die Widerstandsbewegung tätig waren. Da wir dort illegal lebten und strenge Konspirativität geübt wurde, wusste ich von den meisten weder den richtigen Namen noch die Adressen, so hätte ich auch mit bestem Willen nichts preisgeben können. Ich wurde von Tucek in Ketten gelegt, vorerst schlug er mich mit der bloßen Faust. Dann nahm er einen Ochsenzähm [= Ochsenziemer] zu Hilfe, mit welchem er mich am ganzen Körper so schlug, dass mein Körper voll Blutstriemen war und mir die Haut vom Körper hing. Am nächsten Tag wandte er bei mir die Methode eines Bades an. Ich musste mich bis auf meine Unterwäsche ausziehen, wurde an Händen und Füßen gefesselt und in die Badewanne gelegt, welche mit kaltem Wasser angefüllt war. Ich wurde fortwährend mit dem Kopf unter das Wasser getaucht, wenn ich mit dem Kopfe aus dem Wasser kam, hielt man mir die Dusche ins Gesicht, sodass ich durch die Wasserstrahlen ebenfalls fast keine Luft bekam. Dann zog er mich bei den gefesselten Füßen so in die Höhe, dass mein Kopf neuerlich unter Wasser kam. Ich glaubte, jeden Moment ersticken zu müssen. Diese Torturen hat Tucek mit mir sozusagen als Lehrgang geführt, da mehrere junge Gestapobeamte dabei anwesend waren, denen er vorführend erklärte, wie diese Behandlung gemacht werden muss, um die Gefangenen zum Sprechen zu bringen."

Zeugenaussage von Selma Steinmetz vor der Polizeidirektion Wien, 28. 6. 1946.

 

 

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