logo
logo

Adolf Unger (1904 - 1942)

Adolf Unger

Herbert Exenberger

 

 

Vor 110 Jahren wurde der jüdische Arbeiterschriftsteller Adolf Unger geboren. Er wurde im September 1942 von Frankreich nach Auschwitz überstellt und dort ermordet.

 

 

Adolf Unger kam am 11. Juni 1904 in Wien-Leopoldstadt, Springergasse Nr. 4, als Sohn des Schuhmachers Samuel Unger und Mindel geborene Kress zur Welt. Adolf, der ebenfalls Schuhmacher lernte und den Gesellenbrief der Wiener Schuhmachergenossenschaft erhielt, hatte noch zwei Brüder: Bernhard, der mit seiner Familie und den Eltern nach Palästina auswanderte, und Max, der dem drohenden nationalsozialistischen Unheil durch die Flucht in die Schweiz entrann. Adolf Unger zog es in den Strudel der bitteren Not, der Arbeitslosigkeit. In einer autobiographischen Skizze, veröffentlicht am 31. Dezember 1933 im Neuen Wiener Tagblatt, berichtete der Schriftsteller über seine Hungerjahre: "Die Inflation kam. Die Krise. Die Arbeitslosigkeit. Viereinhalb Jahre stand ich ohne geregelte Arbeit da. Ich versuchte und packte alles an, was sich mir bot. Mehr als ein Jahr stand ich an der Lerchenfelderstraße, Ecke Albertgasse, als Kolporteur und verkaufte Zeitungen ... Wollte den Eltern nicht mehr zur Last fallen. Ging auf die Walz. Kam nach Italien. Arbeitete bei Bauern auf dem Felde. Flickte Schuhe. In Triest selbst war ich Taglöhner. Werkte im Hafen als Träger. Bei den Bahnhöfen erwartete ich die Ankommenden. Trug die Pakete. Holte Fuhrwerke herbei. Beschaffte Quartier. Spielte Fremdenführer. Litt Hunger. Und kam endlich nach Wien zurück. Als veränderter Mensch."

Die Volkshochschulen, die Arbeiterbildungsvereine wurden Adolf Unger zur geistigen und kulturellen Heimat. Hier war es, wo der Arbeiterschriftsteller für seine literarischen Gehver-suche erste aufmerksame Zuhörer und Gleichgesinnte fand. In der Zweigstelle Leopoldstadt der Wiener Volkshochschule, Zirkusgasse Nr. 48, leitete ab 1929 der Lyriker und Publizist Ernst Schönwiese als Dozent die literarische Fachgruppe. In dem Hörer Adolf Unger fand Schönwiese einen treuen, eifrigen und begeisterungsfähigen Mitarbeiter. Er wurde Fachgruppenobmann dieser literarischen Fachgruppe. Lesungen aus eigenen Werken in der Wiener Urania und in anderen Arbeiterbildungsstätten machten Adolf Unger bekannt. Selbständige Lyrikbände umfassen neben mehreren Beiträgen in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelwerken sein lyrisches Werk. Über das Leben und Leiden der jüdischen Bevölkerung in dem galizischen Städtchen Sieniawa, wo Adolf Ungers Eltern und er selbst heimatberechtigt waren, verfaßte der Schriftsteller einen Roman. Leider ist das Manuskript bis zum heutigen Tag verschollen geblieben. Für das Rote Kunstkollektiv stellte er im Oktober 1933 eine Revue "Da stimmt was nicht" zusammen. Dafür hat der Arbeiterschriftsteller eine Reihe bekannter sozialer Chansons mit knappen Dialogen zu einer Szenenfolge verbunden, die das Leben in dieser bewegten Zeit aus dem Blickwinkel anklagender Satire schildert. Beim ersten Autorenabend der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller am 18. Mai 1933, der unter dem Motto "Literarischer Rechenschaftsbericht 1932" stand, las Adolf Unger aus seinen Dichtungen. Für sein literarisches Werk erhielt er gemeinsam mit Hilde Spiel, Ernst Waldinger und Ludo Gerwald den Julius Reich-Dichter-Preis des Jahres 1933.

Am 2. April 1930 heiratete Adolf Unger Sobel Leifer. Nach der behördlichen Auflösung der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller 1934 finden wir Adolf Unger in der Vereinigung Junge Kunst und in dem 1936 von Viktor Matejka, Otto Spranger und Anton Forcher gegründeten Österreichischen Arbeiter-Schriftstellerverband.

Zwei Jahre später, nach der NS-Besetzung Österreichs im März 1938, flüchtete die Familie Unger nach Belgien. In diesem Exilland wirkte Adolf Unger bei kulturellen Veranstaltungen mit. So trat er gemeinsam mit dem Konzertmeister der Wiener Volksoper, Fritz Brunner, der Sängerin Paula Baeck und dem Sänger Karl Weissenstein und anderen Künstlern bei einer "Wiener Akademie" des Cercle Culturel Autrichien (Österreichischer Kulturverein) am 29. März 1939 in Brüssel auf. Am Tage der deutschen Invasion in Belgien, am 10. Mai 1940, wurden deutsche und österreichische Emigranten und andere Personen in einer Atmosphäre der Panik verhaftet und interniert. Der Transport dieser Häftlinge nach Frankreich fand in Viehwaggons statt. Unter ihnen war Adolf Unger mit seiner Familie. Mehrere Lager in Frankreich, etwa Gurs, Rivesaltes, Mont Louis, wurden nun zu Aufenthaltsorten von Adolf Unger, seiner Frau Sobel und ihrer Tochter Hanna (geboren am 27. Jänner 1935).

Am 5. September 1942 wurde die Tochter von der im Lager Rivesaltes tagenden Kommission von einem Transport nach Drancy ausgenommen und in eine Kinderkolonie überstellt. Sie überlebte als einzige ihrer Familie. Am 11. September 1942 ging der Transport Nr. 31 von Drancy nach Auschwitz-Birkenau ab. Der Transport kam am 13. September 1942 in Auschwitz an. Trocken vermerkt das Kalendarium von Auschwitz:

"13. 9. RSHA-Transport aus dem Lager Drancy, 1.035 Juden. Nach der Selektion lieferte man 2 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 63529 und 63530, sowie 78 Frauen, sie bekamen die Nr. 19530-19607. Die restlichen 955 Personen wurden vergast."

Adolf und Sobel Unger waren unter diesen 955 Personen.

 

Seit 21. Oktober 1969 erinnert in einer großen Wiener kommunalen Wohnhausanlage im 10. Bezirk eine Adolf Unger-Gasse an diesen österreichischen Schriftsteller. Am 19. März 1997 wurde am Geburtshaus von Adolf Unger, Springergasse 4, 1020 Wien, eine Gedenktafel enthüllt.

Selbständige Werke

 

Im Trott. Gedichte. Wien, Leipzig: Europäischer Verl. 1933. 32 S.

Zeitstrophen. Neue Gedichte. Wien, Leipzig: Europäischer Verl. 1934. 38 S.

Die Linie. Neue Gedichte 1937. Wien: Selbstverl. 1937. 29 S.

Gedichte von Adolf Unger 1941-42. Basel: Max Unger o. J. 15 S.

 

Dieser Text wurde veröffentlicht in: Herbert Exenberger (Hrsg.), Als stünd' die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter sozialistischer SchriftstellerInnen. Wien: Mandelbaum Verlag 2000.

 

 

<< zurück

 

Themen

Exil | Deportation

Downloads

In memoriam

Mitteilungen 194 / Dezember 2009
(188,5 KB)
Unterstützt von: