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Štajner, Karlo

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Штайнер Карл Фридрихович (Штейнер)

Geboren: 15.01.1902, Wien

Beruf: Buchdrucker

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 15.09.1932

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau

Verhaftet: 04.11.1936, Moskau

Anklage: Trotzkismus; antisowjetische Agitation

Urteil: 08.09.1937, Militärkollegium des Obersten Gerichts, 8 Jahre Lagerhaft; 02.09.1943, Kreisgericht Tajmyr, 10 Jahre Lagerhaft

Gestorben: 01.03.1992, Zagreb

Rehabilitiert: 21.03.1956, Militärkollegium des Obersten Gerichts

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: überlebte

 

Karlo Štajner wurde 1902 in Wien als Karl Steiner als Sohn eines Druckerei-Mitarbeiters geboren. Er wurde früh Halbwaise, erlernte den Beruf des Buchdruckers in Wien und war ab April 1919 Mitglied des KJV. Bei der Demonstration am 15. Juni 1919 in der Wiener Hörlgasse wurde Štajner von Polizisten angeschossen und schwer verletzt. Auf Vorschlag von Willi Münzenberg, damals Sekretär der Kommunistischen Jugend-Internationale, erklärte Štajner seine Bereitschaft, für die illegale KP Jugoslawiens zu arbeiten und verlegte 1921 seine Tätigkeit nach Zagreb, wo sein Vater in einer Druckerei beschäftigt war. Bald danach trat Štajner in den Dienst der illegalen KP Jugoslawiens bzw. der Komintern und druckte illegales Propagandamaterial. Als seine Zagreber Druckerei 1929 aufflog, flüchtete Štajner nach Frankreich, wo er als Parteiorganisator unter den jugoslawischen Emigranten wirkte. Aufgrund einer Intervention der Botschaft Jugoslawiens in Paris wurde Štajner 1931 des Landes verwiesen und kam nach Wien zurück. In Österreich lebte er unter einer falschen Identität und baute mit dem Geld seiner vermögenden Wiener Ehefrau eine illegale Druckerei auf. Bis er 1932 in Wien verhaftet wurde, druckte Štajner Zeitungen und Flugblätter für die jugoslawische KP, die damals eine Auslandsvertretung in Wien unterhielt. Auch für die KPÖ übernahm er Aufträge, aber die schlechte wirtschaftliche Lage in Österreich erbrachte in kommerzieller Hinsicht für das Unternehmen zunehmend weniger Ertrag.

 

Aus Österreich 1932 als jugoslawischer Staatsbürger ausgewiesen, fuhr Štajner mit Zustimmung der KPÖ in die UdSSR und arbeitete 1932-1934 als Stellvertreter des Direktors der Druck- und Verlagsschule des Verlagsverbandes OGIZ (Объединение государственных книжно-журнальных издательств при Наркомпросе РСФСР). Seine Frau und die zwei Kinder kehrten nach Wien zurück und Štajner nahm nach der Scheidung eine Russin zur Frau.

 

Bei der 1933 anlaufenden Parteisäuberung - Štajner hatte um Überführung in die VKP (b) angesucht - wurde er negativ beurteilt ("macht den Eindruck eines Kleinbürgers") und aus der Partei ausgeschlossen. Er war mit seiner Stelle in der typografischen Hochschule offensichtlich unzufrieden und verlangte eine Charakteristik von der KPÖ. Bis zur Verhaftung leitete er später mit Erfolg eine Komintern-Druckerei. Der österreichische Kaderleiter Johann Täubl charakterisierte Štajner im November 1935 als "jemand, der seine ganze Tätigkeit und Lust zur Arbeit in konspirativen Aufträgen" finde, und merkte positiv an, dass Štajner die KPÖ auf die Begleichung ihrer Schulden bei ihm nicht gedrängt habe.

 

Der NKVD brachte den am 4. November 1936 verhafteten Štajner in die Lubjanka, wo ihm beim ersten Verhör die Bewilligung der Komintern zu seiner Verhaftung (er war Angestellter des EKKI - Exekutivkomitee der Komintern), die von Hauptstaatsanwalt Vyšinskij unterzeichnet war, vorgelegt wurde. Er wurde beschuldigt, Gestapo-Agent und Mitglied der konterrevolutionären Organisation, die "Kirov ermordete", zu sein. Štajner bestritt die Anschuldigungen und wurde Mitte Dezember 1936 in das Butyrka-Gefängnis überstellt. Dort weigerte er sich, zum Verhör zu gehen, verlangte einen Staatsanwalt und wurde in die Strafzelle geworfen. Da er weiterhin nicht "gestehen" wollte, verlegte man Štajner in das Hochsicherheitsgefängnis Lefortovo. Auch dort blieb er standhaft und kam schließlich vor das Militärkollegium des Obersten Gerichts. Seine Verhandlung am 8. September 1937 dauerte etwa zwanzig Minuten, Štajner wurde wegen Trotzkismus und antisowjetischer Agitation zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt.

 

Im September 1937 kam er in eine Einzelzelle in Vladimir. Nach zwei Monaten schickte man ihn auf die Soloveckij-Inseln, das berüchtigte Lager für besonders gefährliche politische Gefangene. Nachdem die Inseln 1939 als Vorbereitung für den Krieg gegen Finnland geräumt worden waren, wurde Štajner in ein anderes Straflager verlegt und beim Bau des Noril'sker metallurgischen Kombinats eingesetzt. Unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Štajner von einem Mithäftling denunziert und kam ins Noril'sker Gefängnis. Dort wurde er aufgrund der alten Anklage wieder verhört; er verweigerte die Unterschrift unter das Protokoll. Der NKVD verurteilte Štajner und zwei andere Häftlinge wegen konterrevolutionärer Gespräche zum Tode. Das Oberste Gericht der UdSSR verwarf jedoch das Urteil und ordnete eine neue Untersuchung an. Ein Lagergericht auf der Halbinsel Tajmyr verhängte dann am 2. September 1943 eine zusätzliche zehnjährige Strafe. Štajner durchlief in der Folge einige Lager, bis seine Haftzeit im September 1953 zu Ende ging. Anschließend wurde er unbefristet in das Gebiet Krasnojarsk verbannt, wo ihn seine Frau Sonja im März 1954 besuchen durfte.

 

Er kam im April 1956 frei und fuhr nach Moskau. Am 30. Juli 1956 trat er die Heimreise nach Zagreb an.  Vorher hatte Štajner die jugoslawische Botschaft von seinem Fall unterrichtet. Bei seinem Besuch im Juli 1956 in der UdSSR intervenierte Marschall Tito bei Chrušcev für Štajner und weitere 112 inhaftierte Funktionäre der jugoslawischen KP. Štajners Erinnerungen 7000 dana u Sibiru erschienen 1971 in Zagreb, auch die deutsche Ausgabe, 7000 Tage in Sibirien erschien (1975) in der kroatischen Namensversion des Autors.

 

Karlo Štajner starb 1992 in Zagreb.

 

 

Quelle: Parteiarchiv der KPÖ, RGASPI, stalin.memo.ru, Parteiarchiv der KPÖ

 

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