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Boček, Johann Norbert

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Бочек Ганс (Иоган) Теофилович

Geboren: 05.06.1907, Wien

Beruf: Klaviermacher

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1934

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Leningrad

Verhaftet: 01.04.1938, Leningrad

Anklage: Spionage, Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation

Urteil: 01.12.1939, Sonderberatung (OSO), Ausweisung

Gestorben: Ostfront (Zweiter Weltkrieg)

Rehabilitiert: 31.07.1989, Militärstaatsanwaltschaft des Leningrader Wehrkreises

Emigrationsmotiv: Schutzbund-Emigration

Schicksal: an Nazi-Deutschland ausgeliefert

 

Johann (Hans) Boček, geboren 1907, ein Klaviermacher aus Wien, war Mitglied der SDAP von 1924 bis 1934 und des Schutzbundes ab 1931. Als Februarkämpfer flüchtete er am 21. Februar 1934 in die ČSR. Im Mai 1934 wurde er vom österreichischen Staat ausgebürgert. Ende September 1934 emigrierte er nach Russland. Boček arbeitete zuerst als technischer Leiter einer Fabrik für Musikinstrumente in Moskau, übersiedelte dann im Herbst 1935 nach Leningrad und fand dort eine Stelle als Obermeister in einer Klavierfabrik. Nach einem Jahr wechselte er als Konstrukteur in das aerodynamische Laboratorium des Leningrader Industrieinstituts, wurde jedoch wieder entlassen, weil er als Ausländer mit militärischen Geheimnissen zu tun hatte. Zuletzt war er als Sportlehrer im selben Institut beschäftigt. Während der Ferienmonate arbeitete er als Instrukteur bei einer Bergsteigerschule im Kaukasus, deshalb war er auch in die Untersuchung gegen Gustav Döberl verwickelt.

 

Boček hatte keine guten Beziehungen zum Schutzbund-Kollektiv, das ihn in Moskau denunzierte. Im Juni 1937 wurde er von Ernst Fischer als sowjetfeindliches Element zur Ausweisung vorgeschlagen. Im November 1937 suchte Boček die österreichische Gesandtschaft auf und beantragte die Heimreise. Bei seiner Befragung dort hob er sein gutes Gehalt von 1000 Rubel hervor, allerdings auch das sehr niedrige Lebensniveau und den durch die schlechten Gesundheitsverhältnisse verursachten Tod seiner kleinen Tochter, die im April 1937 an Lungenentzündung gestorben war. Er stand übrigens vor einem Dilemma, das damals viele Ausländer betraf: entweder die sowjetische Staatsbürgerschaft anzunehmen oder den Arbeitsplatz zu verlieren.

 

Boček, der die Annahme der sowjetischen Staatsbürgerschaft ausschlug, verlor seine Stelle als Sportlehrer. Seine Frau Maria und der Sohn Helmut konnten unter großen Schwierigkeiten im Februar 1938 nach Österreich zurückkehren, aber die österreichische Staatspolizei erhob noch immer Einwände gegen die Rückkehr des ausgebürgerten Familienvaters. Erst im Juli 1938 erlaubte das deutsche Auswärtige Amt seine Rückkehr. Boček war jedoch schon am 1. April 1938 wegen Spionage und Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation in Haft und alle von deutscher Seite gestellten Anfragen 1938 und 1939 über seinen Aufenthalt blieben unbeantwortet. Er wurde in das Auslieferungskontingent inkludiert, das der NKVD nach dem Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes für die Gestapo zusammenstellte. Am 13. Dezember 1939 wurde Boček bei Brest-Litovsk den deutschen Behörden übergeben. Im Zweiten Weltkrieg diente Hans Boček in der Deutschen Wehrmacht, er fiel an der Ostfront.

 

 

Quelle: ÖStA, DÖW, RGASPI, Gestapo-Kartei (Blaue Kartei)

 

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