logo
logo

Štefan Paul: Beim Apovnik

Štefan Paul, geb. 1902 am Kömmel/Komelj, Bauer. Zeuge einer Polizeiaktion gegen Kärntner PartisanInnen im Oktober 1944.

Verstorben.

 

 

Am 12. Oktober des 44er Jahres waren zwölf Partisanen beim Nachbarn, beim Žik. Dort war aber eine Frau, die die Partisanen nach Hause ließen, die kam nach Hause und erzählte ihrem Mann, dass beim Žik Partisanen wären. Der Mann war aber ein fester Hitler-Anhänger, er war bei der Partei. Später hat sie ja schrecklich beteuert, dass sie nichts gemeldet hatte, aber sie erzählte zu Hause alles und das hat auch schon gereicht. Er ist halt zur Polizei gelaufen und hat alles gemeldet. Der Šorli Ciril, der war der Ranghöchste bei den Partisanen, er war schon zwei Jahre dabei, der war zu vertrauensselig. Hätte er diese Frau nicht nach Hause gelassen, dann wären sie glücklich davongekommen. Die Partisanen gingen noch in derselben Nacht vom Žik zum Apovnik.

 

Am nächsten Tag kam die Polizei. Der Metnitz war der Höchste. Der kommt herein zu mir in die Küche, richtet das Gewehr auf mich: "Wo hast du die Partisanen versteckt, du hast sie versteckt!", schreit er. Zuerst hatten sie die Partisanen heim Žik gesucht, dort waren sie aber nicht mehr. Da hatten sie sie verfolgt und gedacht, dass sie zu uns abgebogen wären. Ich erklärte dem Metnitz, dass sie gestern nicht hier gewesen wären und heute auch noch nicht, da schreit er: "Schlüssel her, Schlüssel her." Ich musste die Schlüssel vom Keller, vom Haus und vom Getreidespeicher holen. Der Hof war voller Polizisten, ich habe sie ja nicht gezählt, die einen meinten 150, die anderen 200. Mit den Schlüsseln sind wir das Haus, den Keller und den Getreidespeicher durchsuchen gegangen. Die Tür in den Getreidespeicher war schwer zu öffnen, ich will nach dem Schlüssel greifen, da droht er mir mit dem Gewehr. Er glaubte, ich lass nicht aufsperren. Er macht es alleine, wir gehen in den Getreidespeicher, der Metnitz, drei Wächter und ich. Der Metnitz nimmt eine Stange zum Fleischaufhängen und wühlt damit im Getreide herum, ob auch ja keiner drinnen versteckt liegt.

 

Dann waren wir fertig und sind aus dem Getreidespeicher hinaus, da wird einem Gendarmen aus St. Michael schlecht. Er kommt in die Küche und sagt zu meiner Tante: "Ich habe in der Früh um drei Uhr aufstehen müssen, ich habe noch nichts gegessen und jetzt ist mir schlecht. Bitte, geben Sie mir ein Stamperl Schnaps." Die Tante wollte gar nicht so recht, ich sage zu ihr: "Gib nur, es ist ja schlimm, wenn er schon um drei Uhr hat aufstehen müssen und jetzt hat er nichts im Magen, ist ihm halt schlecht, gib ihm nur den Schnaps." Dann hat sie ihm das Stamperl Schnaps gegeben, genau hier ist er ungefähr zehn Minuten gestanden. Der Metnitz und die Polizei sind draußen im Hof gestanden und haben gewartet. Als dieser Gendarm den Schnaps weggetrunken hatte, ging er hinaus zu den anderen, die standen auf und gingen.

 

Das war so gegen elf Uhr, fünf Minuten darauf hat es gedonnert, so hat es gekracht. Aus allen Gewehren haben sie geschossen, wir waren gerade draußen, und so sahen wir, dass das Haus auf der anderen Seite schon brannte, und der Stall auch, alles brannte. Wir waren ja neugierig, was passieren würde, und stellten uns auf den Abhang hinter unserem Haus. Irgendwie erwarteten wir, dass sich die Partisanen wehren würden, dass es einen Schusswechsel geben würde. Aber die Armen hatten ja keine Zeit mehr. Die hatten gerade Mittagessen gekocht in der Küche und Socken gewaschen und die Unterhosen, die waren voll beschäftigt. Der auf der Wache war aber eingeschlafen, darum konnten die Polizisten so nahe heran. So bist du natürlich nicht vorbereitet., und auf einmal kracht es. Freilich konntest du dich da nicht wehren, jeder hat gepackt, was er erwischen konnte, und wollte fliehen.

 

Die Polizei ist herumgelaufen und hat die Partisanen gejagt. Und dann war es furchtbar: "Verdammtes Schwein, verdammter Bandit!" Vom Apovnik zu uns her hat man fein gehört, wir haben alles gehört. Wir sahen, dass sie einen gefangen hatten, das war der Šorli Ciril, der hatte ein englisches Gewand an, den stellten sie auf, zwei hielten ihn, einer zog ihn nackt aus. Das habe ich gesehen und gehört. Die Gendarmen haben mich nach dem Krieg deswegen schon einmal verhört, dann haben sie sich davon überzeugt, dass ich nicht gelogen habe, dass das die Wahrheit ist, sie haben sich selber davon überzeugt, dass man vom Apovnik her fein hört, von uns hinauf aber weniger. Herüber hört man besser.

 

Den Šorli haben sie ausgezogen, dann ist er auf dem Boden gelegen. Ein anderer war aus Eisenkappel, der Bancelj Johi. Den hat die Marička gesehen, die hat dort Vieh gehütet, den haben zwei an den Händen gehalten und hinauf in den Wald geschleppt, da hat er noch selber die Beine bewegt, schwach war er schon. Wo er dann erschossen wurde, das kann ich nicht sagen. Es ist einige Zeit vergangen, dann haben sie ihn schon tot am Boden zurückgeschliffen. Später hat es geheißen, der Metnitz hätte an ihm herumgeschnitten, aber das kann ich nicht behaupten, das habe ich nicht gesehen, der hat die Hosen noch angehabt.

 

Ich bekam dann von der Gemeinde einen Brief: Du bist der nächste Nachbar, du musst die Partisanen im Graben, im Wald vergraben. Na, und wir, mein Cousin, der Franc Pečnik, und ich, wir holen die Schaufeln und gehen die Partisanen begraben ...

 

Als das Feuer etwas niedergebrannt war, sind die hergegangen und haben die zwei Partisanen ins Feuer geworfen, so dass ihre Beine in der glühenden Kohle lagen. Mit dem Oberkörper lagen sie weg vom Feuer, oben war nichts, sie waren nur dunkel vom Rauch und sicher auch verprügelt. Dem Šorli Ciril hatten sie auch die Beine in die Kohle geworfen, der war nackt, ausgezogen, der war dick und die Beine waren ihm geschmolzen, das Fett rann weg, er war furchtbar zugerichtet. Aufgeschnitten, der Bauch aufgeschnitten, die Gedärme lagen daneben, so lag er dort, die Geschlechtsorgane weggeschnitten. Einer hatte ihm noch die Arme zu den Schultern dazugelegt, aber aIs wir ihn begruben, sahen wir, dass der Arm abgeschnitten war.

 

In Bleiburg haben sie sich gebrüstet: "14 Partisanen haben wir erschossen, alle sind verbrannt, wir haben sie ins Feuer geworfen." In Wirklichkeit sind sie gar nicht verbrannt. Einer ist im Vorraum gefallen, der hat im Vorraum einen Schuss abgekriegt, der ist dort hingefallen und verbrannt. Die Hirtin hat das gesehen, er hat ihr Leid getan, aber sie hat ihm nicht helfen können, weil schon die brennenden Schindeln vom Dach auf ihn herunterfielen und sie Angst hatte, dass sie auf sie auch fallen würden. Drei sind dort beim Haus gelegen. Der Bavcer Johi, der Ciril Šorli und der, der im Vorraum verbrannt ist; von dem hieß es, er wäre aus Črna. Ein anderer ist noch im Wald oben herumgekrochen am 12. Oktober, der hat dort den Tod gefunden. Das alles war an einem Donnerstag. Am Freitag kamen zwei Buben vom Pisernik zu mir: "Einer liegt beim Apovnik in der Streu und schreit furchtbar, der schreit so furchtbar." Ich nehme meine Sense und gehe mit den beiden, gehe in den Wald und da höre ich es auch. Furchtbar nach der Maria hat er gerufen, dann wurde alles still. Wir sahen nach, die Buben hatten zwar gesagt, dass jemand in der Streu liege, aber in der Streu war niemand. Dann war es ruhig bis zum März. Im März fanden ihn die Kurniks, als sie das Vieh zum Wasser trieben, der lag noch dort. Dann kamen die Deutschen und begruben ihn gleich an Ort und Stelle. Im Mai war der Krieg aus, da kamen die St. Margarethner und begruben ihn in St. Margarethen.

 

Das muss ich auch noch erzählen. Als wir die Partisanen begraben gingen, war die Polizei schon vor uns da. Das war am Samstag, einer steht auf der Wacht im Wald, ich komme zu ihm hin und grüße ihn. Er grüßt mich auch und fragt: "Wohin gehst du, wohin gehst du?" Ich antwortete: "Ich habe einen Brief bekommen, dass ich die Partisanen begraben muss. Ich gehe die Partisanen begraben." Da sagt er: "Gell, Väterchen, denen haben wir ordentlich eingeheizt." Und ich: "Warum habt ihr es mit einem so grässlich getrieben, dass er ganz aufgeschnitten war?" "Wir haben ja müssen, der hat nicht hin sein wollen." So hat er es gesagt.

 

Nach dem Krieg sind sie dann fragen gekommen, das war ungefähr ein halbes Jahr darauf. Die behaupteten, dass ich lüge, das alles sei nicht wahr. Die dachten, ich lüge, weil ich als Slowene eher dagegen wäre, die aber eher zu den Nazis gehalten hatten. Dann haben sie sich aber selber davon überzeugt, dass alles so war, wie ich es gehört und gesehen habe. Das war so: Ich musste mit einem hinauf zum Wald. Beim Apovnik, beim Bauern, wo diese Schweinerei passiert ist, lag ein anderer ziemlich weit weg vom Haus, und der neben mir fragte mich: "Siehst du dort diesen Haufen?" Ich hatte gute Augen und sagte: "Das ist kein Haufen, das ist ein Mensch." "Ja", sagte er, "das ist kein Haufen, wirklich, es ist ein Mensch." Und dann: "Und jetzt sag mir, was er rufen wird. Komm ein bisschen weiter her." Ich sagte: "Das war nicht die Stelle, wo sie den Ciril ausgezogen haben, das war weiter hier." Dann rief er ihm zu: "Komm weiter her, weiter her." Ich wiederholte: "Weiter her, weiter her." Alles war zu verstehen und zu hören. Na, und dann kam er an die richtige Stelle, da sagte ich: "Ja, genau hier war es." So überzeugten sie sich, dass ich nicht log, dass ich das alles wirklich gesehen und gehört hatte.

 

Wegen dem Metnitz musste ich später noch öfter nach Klagenfurt und musste erzählen, was passiert war. Ich sagte immer: "Der Metnitz ist gekommen und der Metnitz hat mit mir gebrüllt, wo ich die Partisanen versteckt hätte." Der Metnitz war der Höchste.

 

<< zurück

 

Unterstützt von: