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Johann Petschnig: Über die Drau

Johann Petschnig (Krištof), geb. 1924 in Vellach/Bela als Keuschlerssohn. Politischer Aktivist der Kärntner PartisanInnen.

Nach 1945 Schlosser.

Verstorben.

 

 

Ich war von allem Anfang an terenec, politischer Aktivist. 1944 bekam ich den Auftrag, auf der Saualm erste Kontakte zu knüpfen, den Widerstand gegen Hitler zu organisieren, um mit dem Aufstand zu beginnen, neue Partisanen aus den Reihen der Soldaten, die auf Urlaub waren, zu organisieren.

 

Wir waren zu dritt, Literatur, Flugblätter und solche Sachen hatten wir mit. Zuerst mussten wir uns noch Informationen besorgen, wie die Tainacher Draubrücke bewacht war, wo und wann. Wir erfuhren, dass sie nur nachts bewacht wurde, bei Tag nicht. Im Morgengrauen kommen wir zur Brücke, wir warten, dass die Wache weggeht, auf der anderen Seite war das Wetterhäuschen für die Wache. Die Wachen kommen daher, ein bisschen dunkel war es noch, und da sehen wir - Madonna, das hat uns unser Informant nicht berichtet -, dass die einen riesigen Hund haben, und der hat gebellt. Aber sie reagierten nicht darauf und gingen weiter. Wir über die Brücke, es hat schon getagt, wir kommen auf die andere Seite und sehen auf einmal einen Gendarmen im Wetterhäuschen, der etwas schreibt, ist halt schon eine Kontrolle gekommen. Einer von uns hatte eine Maschinenpistole, einer ein Gewehr, ich eine Pistole und wir waren darauf vorbereitet, schießen zu müssen. Am helllichten Tag, überall Polizei. die haben dich ja gleich. No, aber der hat sich nicht umgedreht und wir sind an ihm vorbei Richtung Tainach, hinauf ins Gehölz. Die Sonne schien, wir legten uns ein bisschen nieder, müde waren wir ja vom Marsch. Ich stehe auf und einer sagt: "Hörst du etwas?" Und wir hören jemanden Deutsch reden. Hat uns höchstwahrscheinlich schon jemand angezeigt. Eine ganze Armada kam hinter uns her. Die Literatur mussten wir liegen lassen, damit wir schneller laufen konnten. Wie sollst du dich wehren, mit einer Handvoll Munition und einem ganzen Haufen hinter dir? Den ganzen Nachmittag stiegen wir im Gehölz herum und die immer hinter uns her, immer wieder schossen sie in unsere Richtung. Auf einmal keine Bäume mehr. Wir gingen noch 200 Meter, dort war noch ein bisschen Gebüsch. Ich sagte: "Bis hierher und nicht weiter, jetzt müssen wir feuern." Da hören wir schon hinter uns den Befehl "Vorwärts!" und die Schützen kommen in einer Kette auf uns zu. Ich sage zu einem: "Du hast ein feines Gewehr, ziel auf einen." Er zielt, flak, und trifft ihn schon, da springen sie zurück in den Wald. Nach kurzer Zeit kommt erneut der Befehl: "Vorwärts!" Da legt er erneut an, trifft noch einen. Dann war Ruhe. Sie zogen sich zurück, es begann schon zu dämmern.

 

Wir gingen bei St. Stefan nach Raut, einer von uns kannte einen Bauern dort oben, deswegen ging er auch mit. Irgendwo musst du einen Menschen haben, sonst ist es aus. Wir kommen zu dem Bauern hinauf, wir hatten vor, in der Nähe einen Bunker zu bauen. Der Bauer war nicht schlecht. Genaues wussten wir aber nicht über ihn, wir waren früher nie zusammen. Wir gruben wirklich einen Bunker, es wurde kalt und der Schnee begann zu fallen. Bis heute weiß ich nicht, ob wirklich einer von den Unseren so einen Rheumatismus gehabt hat, dass er nur mehr schreien konnte. Ich sagte, das darf ja nicht sein, die werden uns wie die Hasen einfangen und umbringen. So gingen wir Februar 1944 wieder zurück.

 

Auf der Draubrücke gab es wieder ein Problem. Der Mond schien hell, wir gehen auf die Brücke zu, die Schuhe ausgezogen, in Strümpfen über den Schnee, der mit Raureif bedeckt war. Ich schaue durch das Fernglas, da steht schon eine Wache dort, die schaut aber auf die andere Seite. Wir nähern uns ganz leise, die Drau hat damals ja noch gerauscht.

 

Heute rauscht sie nicht mehr, sie steht nur mehr still, aber damals ist das Wasser schnell geflossen und hat stark gerauscht. Ich sage zu einem: "Setz der Wache das Gewehr an die Brust, wir beide gehen in der Zwischenzeit zum Wetterhäuschen nachschauen, was sie tun, wie viele dort sind und so weiter." Wir kriechen zum Haus, hören noch, wie er zur Wache sagt: "Halt, Hände hoch!" Der hebt die Hände sofort hoch, das habe ich noch gesehen. Ich gehe hin, schau beim Fenster hinein, die haben drinnen Karten gespielt, ungefähr zehn sind dort gesessen, Polizei und Landwache. Ich sage zu meinem Begleiter: "Pass auf, dass niemand kommt und mich erschießt. Ich werde hineingehen. Einen anderen Weg gibt es nicht." Vielleicht war das auch nicht notwendig, wir hatten ja schon die Wache und hätten einfach über die Brücke gehen können, aber wir machten das damals, vielleicht war es auch besser so. Mit der Pistole in der Hand öffne ich die Türe: "Hände hoch!" Madonna, die Hände schossen in die Höh, ich hatte alles unter Kontrolle, keiner getraute sich zu bewegen, die Karten lagen dort, einer legte die Karten nicht schnell genug hin, da sagte noch ein anderer: "Beeil dich, tua die Händ hoch." - Und ich sagte: "Jetzt habe ich euch in der Hand. Wir wollen hinüber, wenn ihr Ruhe gebt, dann ist alles in Ordnung, ansonsten kracht es hier." "Jo, jo, gehts glei drüber, gehts glei drüber!", drängten sie. Und dann traute ich Trottel mich noch, ihnen die Waffen zu lassen. Ich dachte mir, wir werden ja wieder drüber müssen, vielleicht sind sie still und es lässt sich wieder ein Kontakt herstellen. Ich ließ eine Maschinenpistole dort und die paar Gewehre, die dort hingen. Warum hätte ich sie mitschleppen sollen? Wir waren ja alleine, es wäre zu schwer gewesen. Zwei haben aufgepasst, damit sie nicht hinterherschießen, es war ja eine lange Brücke, und wie der eine auf der anderen Seite war, hat er aufgepasst, dass sie nicht hinter den beiden anderen herschießen. Wir gingen drüber, und es hat niemand geschossen, einer hat noch geschrien: "Schnell, schnell." Man sieht, dass nicht alle solche Stricke waren, die nur erschlagen hätten. Wir kamen sicher auf die andere Seite, setzten uns nieder und zündeten uns erst einmal eine Zigarette an.

 

Im Sommer ging ich dann zum zweiten Mal auf die Nordseite, bei Schwabegg ging ich über die Drau, und da blieb ich bis zum Ende und hatte gute Leute dort. Ich war nicht so ein Mensch, der jemandem etwas aufgedrängt hätte. Deswegen hatten sie mich auch auf der Saualm gerne. Ich sagte: "Mütterchen, wenn es nichts anderes gibt, dann ein bisschen Suppe oder so etwas." "Ja, das habe ich." Es gab aber auch solche, die immer nur das Beste haben wollten. Mit so einem Vorgehen konntest du viel verscheißen, ansonsten aber profitiertest du. Am leichtesten bekamst du die Leute auf deine Seite, wenn du zu ihnen gingst und dich als Mensch benahmst. Wenn es ein Sympathisant war, den hast du schnell überzeugen können. Schau, ich hatte bis Eberstein hinauf Kontakte, wenn es gefährlich war. Dort oben waren nur Mädchen, nette, junge Mädchen, kam öfter eine und sagte: Jetzt wird es gefährlich. Wenn ein Überfall geplant war, eine hajka bevorstand, dann bekam ich immer Post aus diesem Ort. Aus Grafenstein genauso. Ich wusste immer genau, was passierte.

 

Mit der Belin-Kompanie war ich nicht zusammen, ich ging mit meinen Leuten eigene Wege. Wir hatten eigene Bunker, ich organisierte zuerst die Leute, das war das Erste, wenn du irgendwohin gekommen bist. Du brauchtest bewusste und verlässliche Menschen. Wenn du die nicht hattest, warst du verloren. Ein Förster war dort, bitte, mich hat der nie verraten, mir hat er alles gegeben. Andere sagen, er hätte sie verraten, wissen kannst du das aber auch nicht. Manchmal wussten ja auch die Partisanen nicht alles. Es gab einen Überfall und sie sagten sich, vielleicht hat mich der verraten. Was mich betrifft, war er in Ordnung. Dann organisierten wir die Bauern in der Umgebung, damit wir zu essen hatten, damit wir nicht dauernd requirieren mussten. Dort wurden wir ja angezeigt, natürlich mit unserem Einverständnis. Es gab Partisanen, die den Leuten sagten, sie dürften nicht melden, aber das war ja ein Blödsinn. Meine Parole war, zeigt an, und ich verdrückte mich in der Zeit woandershin. Es floh ja öfter jemand von uns, und wenn der Mensch später die Polizei an die Stellen geführt und gesagt hat: "Hier war ich", hieß es sofort: "Ja, warum habt ihr das denn nicht angezeigt?" Wann immer mehr Leute beisammen waren, war deshalb meine Devise: "Zeigt uns an." Wenn ich alleine war oder mit jemandem, dem man wirklich trauen konnte, dann meldeten sie manchmal auch nicht mehr. Das erste Mal empfingen uns die Bauern unterschiedlich. Du gingst hinein und hast alles gewusst. Gewöhnlich hatte jeder ein bisschen Angst am Anfang, aber da musstest du herausfinden, ob er dir die Wahrheit sagt oder nur aus Angst etwas erzählt. Und das erkanntest du sehr schnell. Wir hatten einen in unseren Reihen, der war aus der Gegend und der wusste auch, wer gegen Hitler und wer für ihn ist. So gingen wir eher zu denen, bei denen von Anfang an feststand, dass sie verlässlich sind.

 

Der Winter kam und mit ihm die hajka. Wenn die Deutschen in den Bergen waren, dann hieß unsere Taktik: hinunter ins Tal. Und das machte sich bezahlt, vor allem dann, als wir dahinterkamen, wie wir das machen sollten. Wenn oben eine hajka abläuft und alles voller Polizei ist, wirst du ja nicht dort herumsitzen und schießen und herummurksen, sondern hinunter ins Tal gehen. Und umgekehrt. So ging es hin und her. Bei der ersten hajka kam ich ja noch nicht auf die Idee, aber ein paar Wochen später war die nächste hajka, der Winter war da, und wir sind zu diesem Förster. Der Förster war den ganzen Tag unten in Völkermarkt, am Abend kam er irgendwie niedergeschlagen zurück, wir wussten nur, dass eine hajka vorbereitet wird, aber nichts Genaues. "Was gibt es Neues?" "Oh", sagte er, "Hans, pass auf, alles voll da." Überall war Polizei. Wir gingen zu einem Bauern, der sehr verlässlich war und der öfter etwas kochte. Wir kamen hin, das Haus lag in einer Mulde. Ich schaute durchs Fernglas, ob jemand beim Haus sei. Nichts war zu sehen, dann fiel irgendwo ein Holzstoß um, aber beim Haus hatten sie einen Hund und ich sagte: "Ah, das war bloß der Hund." Wir gehen hinunter, Madonna, wir kommen vor das Haus, da schreit schon jemand "Heimat!", das weiß ich genau, nur "Heimat!", das war die Parole der Polizei, du hättest die Gegenparole sagen müssen, die wussten wir aber nicht, er brüllte ja nur "Heimat", du hättest "Vaterland" oder so etwas zurückbrüllen müssen und alles wäre in Ordnung gewesen. Logisch, die begannen zu schießen. Vom Hang herunter fielen die Schüsse. Wir traten den Rückzug an, was hätten wir dort tun sollen? Wir schossen schon noch ins Haus hinein, aber nicht zu viel, denn die Frau dort war eine bewusste Frau, was soll 's. Einer erschoss noch den wachhabenden Polizisten, und wir zogen uns weiter auf den Berg zurück.

 

Wir kommen hinauf, ich frage: "Sind wir alle durchgekommen, war nichts?" Aber einer aus Ravno polje war verwundet, der sagte: "Gib eine Nachricht nach Hause, dass ich hier gefallen bin." Er hatte einen Bauchschuss, beim Nabel durch, er sagte: "Greif her, wird noch was?" "Freilich", sage ich, "wird schon werden." Dann begann er aber zu jammern und meinte: "Weißt was, erschieß mich." Ich sagte: "Nein, das mache ich nicht." Die Pistole gaben wir ihm aber. Kurz darauf sagte er "Amen" und erschoss sich. Und dann kam die Polizei hinauf, fand ihn und erzählte herum, was für Verbrecher wir seien, dass wir unsere eigenen Leute erschießen. Aber er erschoss sich selber, er hatte ja einen Bauchschuss. Er war verloren, was hätte er tun sollen.

 

Wir gingen weiter zu einem Jäger, auf der anderen Seite des Feldes war eine Hütte. Ich meinte: "Da gehen wir hinein." Der Schnee war damals schon verteufelt hoch. Die einen wehrten sich, die Polizei wird kommen, die anderen wendeten ein, dass sie nachts schon nicht kommen werde. Wenn sie komme, dann in der Früh. Wir stellten Wachen auf, heizten ein und legten uns nieder. Am nächsten Tag brachen wir sehr früh auf die Langinger Alm auf. Dort war genau die Grenze zum Lavanttal, den ganzen Nachmittag waren wir dort. Es lag viel Schnee, die Sonne schien und amerikanische Flugzeuge flogen drüber, Richtung Wien, es hat nur so gezittert. Die Abwehr vom Hitler wollte sie herunterschießen, deswegen krachte es ziemlich dort oben.

 

Auf einem Kahlschlag rasteten wir ein bisschen, der Sohn vom Dr. Tscharf aus Völkermarkt träumte von Krapfen, von warmen Krapfen, "Madonna", sagte er, "jetzt warme Krapfen und einen Kaffee bekommen, das wäre fein." Andere wieder wollten die Maschinenpistolen und die Gewehre putzen. "Putzt sie nicht, man weiß ja nie, was kommt", sagte ich. Dann ging ich mit dem Paulič Toni zur Seite. Hatten uns nicht diese Teufel umkreist, die Deutschen. Sie waren unseren Spuren nachgegangen; ich ziehe gerade die Hose hinauf, in dem Moment rattert eine Maschinenpistole. Zuerst wusste ich ja nicht einmal, von wo sie schießen. Da sagte der Toni: "Da ist eine Fichte, schau, von wo die Kugeln kommen." Sie schlugen nämlich in die Fichte hinein. Ich wusste nicht einmal, in welcher Gefahr ich mich befand. Der traf mich genau hinten in die Hose, die sahen aus, als ob sie eine Maus angenagt hätte. Eine ganze Garbe, ein paar Zentimeter näher, und mit mir wäre es aus gewesen. Von dort sind wir aber sofort weg, die auf den Schiern hinter uns her, und dann begann die Schießerei. Wir sind hinein ins Gehölz, je dichter der Wald, desto besser für uns, weil sie mit den Schiern nicht so schnell vorwärts konnten. Wenn wir ein bisschen verschnauften, waren sie schon hinter uns und es krachte. Das dauerte bis zum Abend.

 

In der Dämmerung waren wir schon mitten im Lavanttal, die noch immer hinter uns her. Der Slavko, der war so klein, Schnee ist viel gelegen, und er versank darin und konnte nicht mehr heraus. Ich packte ihn, ich war ja groß, ich konnte ihn noch herausziehen, damit wir weiterkonnten, stehen bleiben trauten wir uns nicht. Eingekreist bist du schnell und wir beeilten uns, wir rannten. In der Mitte des Lavanttales kannten wir auch einen Förster; ein aufrechter Mensch, seine Frau ganz besonders. Dorthin wollten wir gehen, als es aufhörte zu krachen, damit sie uns eine Suppe kochte. Als es Nacht wurde, waren ja auch die Deutschen nicht mehr so eifrig. Die trauten sich ja auch nicht so, sie wussten ja nicht, wer sie hinter einem Baum erwartet und ob der feuert, wenn sie kommen. Die hatten ja auch Angst, nicht nur wir, aber ihr Befehl hat gelautet, hinterher, und sie mussten gehorchen. Im Winter '45 fiel aber so viel Schnee, ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals vorher oder nachher so viel schneite. Dauernd schneite es nur, den ganzen Jänner durch und noch im Februar, im März kamen wir dann ein bisschen heraus, da schien wieder die Sonne. Wir kamen hinaus zum Förster. "Um Gottes Willen", sagte die Frau, "gerade jetzt waren 60 Polizisten da." Die hajka war ja überall. Wir sahen die Spur und sagten: "Wenn die gerade weg sind, werden sie nicht mehr kommen." Sie kochte uns eine Suppe, wir aßen sie und dann gingen wir hinunter ins Tal, weiter hinaus konnten wir nicht. Das war unsere letzte Station, wo wir uns melden konnten, wo sie uns nicht verrieten. In der Nähe von Pölling stiegen wir wieder hinauf. Etwas unterhalb von Pölling gerieten wir wieder in eine Falle. Wir wurden überfallen. Das passierte alles in einer Nacht.

 

Dann gingen wir ober Pölling zu einem Bauern, dem Herzog, der war verlässlich, wir hielten uns oft dort auf. Die hajka dauerte noch immer, da sagte er: "Wir haben ein Stück weiter unten eine Mühle, gehts hin, ich bring euch gleich was zum Essen." Wir gingen zu der Mühle, dort war kein Wald, lauter Felder rundherum und ein Bach floss vorbei. Ich sagte, gehen wir hinein, wir können die Deutschen sehen, wenn sie kommen, und wir können uns endlich ausrasten. Wir heizten ein, die Mühlen waren so gebaut, dass sie ein Zimmer zum Einheizen hatten, damit der Betreffende es beim Mahlen warm hatte. Die Frau brachte einen ganzen Schinken herunter, den kochten wir. Einen Krug Most brachte sie und einen Laib Brot. Wir blieben drei Tage dort und von da an wussten wir, wenn eine hajka in den Bergen ist, müssen wir hinunter ins Tal.

 

Ich kam immer glücklich durch, die Kompanie vom Boj wurde total auseinandergetrieben, alles zerschlagen. Im Herbst kam dann noch ein Bataillon, mindestens 50 Leute. Das war für die Verhältnisse auf der Saualm eine Dummheit. Ein paar Leute zusammenlegen, angreifen, sich zurückziehen, das ist viel mehr wert, als so einen Koloss von Bataillon aufzustellen, der sich dann nirgends mehr hintraut und es auch nicht mehr konnte. Du konntest ja nicht wer weiß wie lange kämpfen, es gab nicht genug Munition. Ich passte immer auf, dass in den Bunkern der terenci [politische Arbeiter] nie zu viele Leute waren.

 

Meine Aufgabe war ja in erster Linie, die Leute zu informieren. Manchmal kamen wir zusammen. Wir sagten so, jetzt machen wir ein Treffen. Die bewussten Bauern organisierten die Leute, sie wussten ja, wen man ansprechen kann, und dann hatten wir Sitzungen mit den Zivilisten. Auf solche Treffen kamen bis zu zehn Leute. Hie und da kam noch ein Alter mit. Sicher, Männer der mittleren Generation gab es ja nicht, die waren alle in der Armee. Jugendliche, Frauen und Mädchen kamen zu diesen Treffen. Sie brachten immer etwas mit, Speck, Eier, ein Glas Fisolen, daneben konntest du noch die eine oder andere Neuigkeit erfahren. So war ich immer gut informiert, und wenn du eine Kleinigkeit sagtest, waren die Leute froh. Meine Hauptaufgabe war es, die Leute zu informieren, nicht die feindlichen Stellungen anzugreifen, obwohl wir das manchmal auch taten. Aber dass wir uns nur herumgeprügelt hätten die ganze Zeit und gekämpft, das gab es bei uns nicht. Später hatten wir einen englischen Major mit, der funkte, und sie warfen etwas für uns ab; aber ich fand zum Beispiel Pullover, die für uns abgeworfen wurden, erst dann im Frühjahr, als der Schnee taute. Wir hatten nicht richtig ausgemacht, wo und welche Signale erwartet wurden. Zu viele Zeichen trauten wir uns aber auch nicht zu geben, die Polizei war ja in der Nähe. Ganze Säcke voll feinster Pullover, Hosen und auch Waffen waren dabei.

 

Die Amerikaner wussten genau, dass hier Partisanen waren. Wenn ihre Flugzeuge, die die Steiermark, Wien, Wiener Neustadt bombardiert haben, beschädigt wurden, entweder durch die Flak oder sonstwie, und sie wussten, dass sie nicht mehr zurückkommen, dann bemühten sie sich wenigstens, bis Kärnten auf die Saualm zu kommen, um dort abzuspringen, wo sie auf Partisanen treffen würden. Gegen Ende des Krieges war es schon so, dass ich mehr Amerikaner bei mir hatte als Heimische. Wie oft sahen wir sie herunterkommen, immer tiefer und tiefer, und dann sprangen sie ab. Dann suchten wir sie, sie suchten uns, alle hast du ja nicht auf einmal entdeckt. Manchmal liefen sie auch alleine ein paar Tage herum, aber früher oder später fanden wir jeden. Wenn ich gewusst hätte, wie die sind, ich hätte sie gelassen, mir tat das später noch Leid. Nach dem Krieg war es ja so, da war ein Partisan nichts mehr wert. Vorher schon, aber dann wurde eine andere Platte aufgelegt, besonders von den Engländern. Und wir hatten noch den besonderen Auftrag, mit den Engländern und den Amerikanern freundlich umzugehen, die können wir noch brauchen nach Kriegsende. Wir wussten ja nicht, dass sie solche Heuchler waren. Als der Krieg vorbei war, suchten sie die Partisanen und jagten sie, die Nazis ließen sie in Frieden, das ist die Wahrheit.

 

Für kurze Zeit hatte ich noch Österreicher bei mir, die waren schon früher vor Hitler nach Russland geflüchtet, aus Russland waren sie hinunter nach Dolenjsko und von dort wurden sie über die offizielle Linie nach Wien geschickt, damit sie dort Widerstand leisteten. Es waren ja nur vier, sie hatten einen Funkapparat mit, den trauten sie sich nicht weiter mitzunehmen. Es war ja nicht leicht, über das Görtschitztal und die Steiermark nach Wien zu kommen. Wir machten dann aus, den Funkapparat aufzubewahren, und sollten sie wohlbehalten in Wien ankommen, würden sie eine Annonce in den "Völkischen Beobachter" geben, und wir hätten dann den Apparat nach Wien geschickt. An den Wortlaut der Annonce kann ich mich nicht mehr erinnern, aber wir lasen alle den "Völkischen Beobachter", nur die Annonce erschien nie. Ich vermute, dass sie nie bis Wien gekommen sind, sondern früher gefangen genommen wurden.

 

Gegen Ende des Krieges war es schon richtig widerlich. Alles drängte zu den Partisanen, sogar die SS. Jeder dachte, er müsse sich retten, sodass gegen Kriegsende die SS in den Bergen umherstreifte und uns suchte. Klar, die schickte ich weg, ich wollte sie nicht bei mir haben.

 

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