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Franzi (Danneberg-)Löw: Mit meiner Deportation gerechnet

Franzi (Danneberg-)Löw, geb. 1916 in Wien. Ab September 1937 Fürsorgerin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 1938-1945 Betreuung von jüdischen Jugendlichen, Gefangenen und ungarischen Jüdinnen und Juden.

1945 trat Franzi (Danneberg-)Löw in den Dienst der Stadt Wien.

Verstorben.

 

 

Die Befürsorgung der so genannten "U-Boote" war eine weitere wichtige Aufgabe für mich. Eine größere Anzahl von Menschen hat als "Unterseeboot" in Wien gelebt. Sie waren bei "Ariern" irgendwo versteckt. Sie sind aber auch zu mir in die Kultusgemeinde gekommen. Einige "U-Boote" haben sich nicht getraut, auf die Straße zu gehen, sind ununterbrochen in der Wohnung oder in einem Keller oder in einem kleinen Zimmerl versteckt gewesen.

 

Einige Male bin ich zu einem "U-Boot", zu Frau Helene Bock, in den 14. Bezirk [Flötzersteig] gefahren. Die Dame hat im Keller eines kleinen Häuschens ein winziges Zimmer eingerichtet gehabt und war von 1942-1945 dort unten versteckt, ohne jemals auf die Gasse gegangen zu sein. Aber es hat auch "U-Boote" gegeben, die sich frei bewegt haben. Ein "U-Boot", das heute leider nicht mehr lebt, Herr Jakob Passweg, hat uns jeden Tag berichtet, was die ausländischen Sender gemeldet haben. Die Hauptsache war, dass ich den "Unterseebooten" Lebensmittelmarken gegeben habe, da musste ich besonders vorsichtig sein, da habe ich immer den "Stern" herunternehmen müssen und habe nie mit irgendeinem Gepäck gehen dürfen. Ich trug nur eine Handtasche bei mir, in der ich sehr viele Lebensmittelmarken hatte, die ich von Nichtjuden bekommen habe und nicht hätte besitzen dürfen.

 

Ich habe in Wien ca. 30 "U-Boote" betreut, unter ihnen waren Studenten, Angestellte, Arbeiter und Geschäftsleute. Es waren Männer und Frauen.

 

Ich befürsorgte auch die Menschen in den Sammellagern, die zur Deportation vorgesehen waren. Im Jahre 1941 sind die ersten Wiener Juden zum Abtransport gekommen. Da bin ich zuerst in das Lager Wien 2., Sperlgasse, gegangen, um zu schauen, was die Leute vergessen haben, von zu Hause mitzunehmen. Denn sie sind überfallsartig in das Lager von der SS und SA von zu Hause geholt worden und haben manchmal die wichtigsten Dinge nicht eingepackt. Als ich das erste Mal in das Lager Sperlgasse kam, hat mich die SS gestellt und gesagt, ich dürfe nicht hinein. Es ist mir dann gelungen, von dem gefürchteten SS-Hauptsturmführer Brunner eine Legitimation zu erhalten, dass ich berechtigt bin, die Sammellager zu betreten. Wir hatten ein Sammellager in der Sperlgasse, eines in der Malzgasse und eines war in der Castellezgasse.

 

Die Sperlgasse war eine ehemalige Schule, alle drei Lager waren früher Schulen. Die Schulräume waren ausgeräumt worden, die Leute lagen auf Matratzen, einer neben den anderen geschlichtet, es hat jeder nur so viel Platz gehabt, wie seine Matratze groß war. Zum Zudecken haben die Leute nichts bekommen. Das war im Winter schrecklich, die Menschen haben gefroren, die Räume wurden nicht beheizt. Aber die Menschen sind nicht lange in den Lagern geblieben.

 

Die Transporte gingen entweder nach Theresienstadt oder nach Polen oder "unbekannt wohin". Letzteres hieß in Lager, in denen die Menschen gleich vergast wurden.

 

Ich durfte den Kindern Mehlspeisen ins Lager bringen. Wenn die Leute zu Hause etwas vergessen hatten, konnte ich in ihre Wohnungen, um vergessene Dinge einzupacken und sie ihnen ins Lager zu bringen. Die Stimmung in den Lagern war trostlos. Die Leute haben ja nicht gewusst, was mit ihnen geschehen wird. Es sind bei der Gestapo Listen aufgelegen, wer Jude war, wo die Juden wohnten und wo sie arbeiteten. Daher haben die SA und SS gewusst, wohin sie zu gehen haben, um Leute zusammenzufangen. Sie sind in Betriebe gegangen, in denen die Leute gearbeitet haben. Denn die Leute mussten ja arbeiten, Hilfsarbeiten mussten sie verrichten. Die SA und die SS haben gewusst, welche Firmen Juden beschäftigt haben, da ist die SS in die Firma gegangen, hat die Leute von der Firma direkt in die Lager geholt. Da habe ich zum Beispiel ein "Unterseeboot" gekannt, das man von der Firma holen wollte. Dieses Geschäft hatte Gott sei Dank zwei Ausgänge, und als die SA in den einen Ausgang hineingegangen ist, hat eine Freundin die Jüdin aufmerksam gemacht, dass die SA da ist, und sie ist auf der anderen Seite des Geschäftes hinausgegangen zu einer Freundin, die Nichtjüdin war.

 

Bei uns in Wien ist jeder Jude polizeilich gemeldet gewesen, daher hätte sich die Gestapo die Listen der Wiener Juden unter allen Umständen besorgen können. Unsere Leute sind auf Lastautos geladen und so in die Sammelstellen gebracht und von dort wieder in die verschiedenen KZ überstellt worden. Ich riet, jeder sollte eine warme Decke, zwei bis drei Garnituren Wäsche, warme Sachen zum Anziehen und anständige Schuhe mitnehmen. Ich riet auch, etwas an unverderblichen Lebensmitteln einzupacken, zum Beispiel Zucker, Schokolade. Ich habe selbst in meinem Schrank all diese Dinge vorbereitet gehabt, die ich nur hätte nehmen müssen, um sie in den Rucksack hineinzulegen. Denn ich habe genauso wie jeder andere mit meiner Deportation gerechnet. [...]

 

Abschließend möchte ich noch Folgendes bemerken. Gewusst haben wir von der SS und von der SA, dass man daran denkt, Wien "judenrein" zu machen, und dass wir alle von Wien deportiert werden sollten. Ich habe nur mehr bis Juni 1945 die Bewilligung gehabt, als Fürsorgerin zu arbeiten. Es war unser Glück, dass die Russen Wien befreit haben. Es waren ca. 200 Juden, so wie ich Angestellte der Kultusgemeinde, die noch im Jahre 1945 hier waren. Wohin man uns "evakuiert" hätte, wussten wir nicht. Aber man hat uns jeden Tag zu Bewusstsein gebracht, dass wir in Wien nicht überleben werden.

 

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