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Rudolf Schober: Die Rote Hilfe hat den Grenzübergang organisiert

Rudolf Schober, geb. 1910 in Payerbach (NÖ), Metalldreher. 1924 nach Wien, 1925 Sozialistische Arbeiterjugend, Republikanischer Schutzbund, später KPÖ. Teilnahme an den Februarkämpfen 1934. Flucht in die ČSR, von dort im April 1934 nach Moskau. Ende 1936-1939 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg (unter dem Namen "Adolf Drescher"), 1939 zurück in die Sowjetunion.

Oktober 1945 Rückkehr nach Österreich, KPÖ-Angestellter.

Verstorben 1998.

 

 

In der Nacht vom 14. auf den 15. Februar haben wir uns in Floridsdorf entlang der Bahn zurückgezogen zum Gaswerk Leopoldau. Dort ist von den restlichen Schutzbündlern eine Versammlung abgehalten worden, wo beschlossen worden ist, was man weiter macht. Da sind die verschiedensten Vorschläge gekommen. Die einen wollten den Gasbehälter sprengen. Da hätte nur die umliegende Bevölkerung darunter gelitten, sonst gar nichts. Eine Gruppe von 47 Schutzbündlern entschloss sich, zur tschechischen Grenze zu gehen.

 

Ich bin von dort weg und habe mich auf Schleichwegen zu meinem Bruder begeben. Ich bin noch über die Brücke drübergekommen - da hat bereits die Heimwehr die Nordbahnbrücke bewacht. Ich habe denen gesagt: "Ich muss in die Arbeit gehen, ich arbeite da drüben in einem Betrieb." Zwei Tage lang habe ich mich bei meinem Bruder in der Antonigasse im 18. Bezirk versteckt. Von dort habe ich über meine Frau, die in Floridsdorf bei ihren Eltern gewohnt hat, zur Roten Hilfe Kontakt bekommen. Sie hat gewusst, wo ich bin, weil mein Bruder einen Bekannten zu ihr geschickt hat. Die Weisung war, Schutzbündler, die gefährdet sind, sollen das Land verlassen. Die Rote Hilfe hat den Grenzübergang organisiert.

 

Am 18. Februar bin ich mit einem Abendzug nach Bernhardsthal gefahren, und dort bin ich bereits von einem Mann erwartet worden, der mich auf einem Feldweg angesprochen hat. Er hat mir die Richtung gezeigt, nicht den direkten Weg zur tschechischen Grenze. Im Gegenteil, ich musste in einem weiten Bogen zur Grenze gehen, weil jeder, der zur Grenze gegangen ist, war auffällig. In Bernhardsthal am Bahnhof sind die Gendarmerie und die Heimwehr gestanden und haben jeden gefragt, wo er hingeht. Ich hatte schon eine Adresse und einen Namen, den man mir vorher gesagt hatte, in einer Ortschaft, der Grenze entgegengesetzt, die ich der Polizei angab. Da habe ich gehen können. Wir sind dann von Österreich mit einem Grenzgänger - der nebenbei sehr schön verdient hat, der hat für jeden, den er über die Grenze gebracht hat, 30 Schilling von der Roten Hilfe bekommen, das war viel Geld - Richtung Grenze gegangen. Wir waren 32 Leute. Der hat uns bis an die Grenze gebracht und gesagt: "So, und da drüben, bei den Bäumen, die ihr hier seht, das ist die tschechische Grenze." Er ist dann wieder zurück.

 

In der Tschechoslowakei haben wir zuerst Lundenburg erreicht und sind anschließend mit dem Frühzug nach Brünn, ins Brünner Lager, gefahren. Das war ein Sammellager für die Schutzbündler, die über die Grenze gekommen sind. Dort sind wir einige Hundert gewesen, und von dort aus ist auch der erste Transport am 23. April 34 in die Sowjetunion abgegangen. Ich bin mit dem ersten Transport gefahren.

 

Im Brünner Lager hat uns auch der Julius Deutsch [Obmann des Republikanischen Schutzbunds] besucht. Im Lager sind wir wieder militärisch organisiert worden, indem Züge und Kompanien geschaffen worden sind. Das Lager war auf einem Sportplatz, da sind Baracken gewesen und in den Baracken provisorisch gemachte Stockbetten. Verpflegt sind wir von Genossen in Brünn worden. Da gab es eine breite Solidarität und da ist nicht gefragt worden, bist du ein Kommunist oder ein Sozialdemokrat, sondern du bist als Flüchtling rübergekommen und bist aufgenommen worden und bei den Familien haben wir unser Essen bekommen. Schlafen sind wir dann wieder ins Lager gegangen. Manche haben auch schon privat ein Quartier bekommen. Aber es war dort der Wunsch, dass wir beisammen im Lager bleiben. Inzwischen hat mich meine Frau einmal besucht. Da haben wir noch nicht gewusst, dass wir in die Sowjetunion fahren können.

 

Anfang April kam ein Vertreter vom Konsulat in Prag. Jeder Einzelne ist befragt worden, und jedem Einzelnen hat er mitgeteilt, wenn er will, kann er in die Sowjetunion fahren. Aber Voraussetzung war, dass er zwei Zeugen hat, dass er aktiver Kämpfer war. Für den Großteil der Schutzbündler war das überhaupt keine Schwierigkeit und kein Problem. So sind am 23. April 350 Schutzbündler von Brünn weggefahren.

 

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