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Hedy Hollitscher: Mit Anna Freud gearbeitet

Hedy (Hedwig) Hollitscher, geboren 1909 in Wien, Kindergärtnerinnenausbildung, ab Jänner 1928 Kindergärtnerin der Gemeinde Wien. Ende April 1939 Flucht nach England, später u. a. Kindergärtnerin im Kinderheim von Anna Freud in London, Engagement in einer Schauspielgruppe und in der Bibliothek im Austrian Centre.  

Nach Kriegsende Rückkehr nach Wien.

Verstorben 2006.

 

 

Hedy Hollitscher konnte mit einer Einreiseerlaubnis als Hausgehilfin England erreichen. Um mit ihrem damaligen Mann, der so wie ihre Brüder ebenfalls nach Großbritannien geflüchtet war und sich in London befand, zusammen zu sein, kündigte sie ihre Stellung außerhalb Londons.

 

Die Dienstgeberin war sehr bös', mit Recht, denn der Vertrag war auf ein Jahr abgeschlossen, und ich habe sie nach einem halben Jahr verlassen. Da war sie so boshaft und hat mich sofort hinausgeworfen. Ich war aber polizeilich gemeldet gewesen, und es hat zwei Tage gedauert, bis ich nach London zurückkonnte. Eine Hausgehilfin, die ich dort kennengelernt hatte an unseren freien Tagen, hat mich inzwischen zu sich genommen. Die hat ihre "Madam" gefragt, ob ich da zwei Nächte schlafen kann. Dann bin ich nach London gefahren. Ich hab' dort als Hausgehilfin keine Arbeit gefunden und habe als Bedienerin gearbeitet. Da ich in Wien unter anderem das psychoanalytische Seminar bei Anna Freud besucht hatte, hab' ich in England verschiedene bekannte Analytiker wieder getroffen, und bei denen war ich bedienen. Meine Mutter hat mir immer geschrieben, ich soll doch Kontakte aufnehmen mit den Analytikern. Da hab' ich ihr geantwortet, das hab' ich schon gemacht, ich bin Bedienerin bei ihnen. Meine Mutter hat gemeint, das hat sie sich so nicht vorgestellt. Ein Analytiker, bei dem ich gearbeitet habe und der sehr nett war, hat mich dann in das Heim zu Anna Freud gebracht, die dort Kinder aus ausgebombten Familien und von Eltern, die in der Armee dienten, betreut hat. Anna Freud hat mich mit offenen Armen empfangen, weil sie kein geschultes Personal hatte. Ich war ja nicht nur Montessori-Kindergärtnerin, ich war auch analytisch geschult, und das hat Anna Freud natürlich sehr zugesagt. So hab' ich dreieinhalb Jahre mit Anna Freud gearbeitet. Ich war Kindergärtnerin dort. Sie hat das Heim in Familiengruppen eingeteilt. Es waren immer fünf Kinder in einer Gruppe, und jede Gruppe hat eine "Mutter" gehabt, das waren Schülerinnen, so fünfzehn-, sechzehnjährige Mädchen aus Deutschland und aus Österreich, also auch Emigrantinnen. Anna Freud wollte, dass die Kinder auch herauskommen aus dem Heim. Sie hat deshalb in dem Haus, wo diese Schülerinnen gewohnt haben, ein Zimmer eingerichtet als Kindergarten. Ich hab' die Kinder in der Früh vom Heim geholt und bin mit ihnen in dieses Kindergartenhaus gegangen. Ich war mit ihnen bis Nachmittag um vier Uhr dort und hab' sie dann wieder zurückgebracht. Ich war also eigentlich die Kindergärtnerin dort, und die anderen waren die "Mütter" dieser Heimkinder. [...] Wie 1940 die Bomben gefallen sind, da sind wir noch nicht evakuiert gewesen, die Kinder haben immer im Luftschutzkeller gewohnt, auch tagsüber. Der war sehr schön eingerichtet, und die Kinder haben keinerlei Schock gehabt. Sie haben nicht gewusst, dass es auch was anderes gibt als Stockbetten. [...]

 

Ich war auch politisch sehr aktiv im Austrian Centre. Dort hat sich eine Spielgruppe gebildet - es hat einige gegeben, aber diese eine war im Austrian Centre organisiert -, der hab' ich angehört. Da waren ein Chor und eine Tanzgruppe, die auch in Sprechszenen mitgewirkt haben. Wir haben - in englischer Sprache - ein Stück gespielt, das hat "Return Ticket" [Rückfahrkarte] geheißen. Mit diesem Stück sind wir durch ganz London gewandert. Wir haben auch Vorstellungen in Luftschutzkellern gemacht. um den Engländern zu zeigen, wer wir sind, was wir wollen, dass wir wieder zurückkommen möchten in die Heimat und hier am Aufbau mithelfen. Das war eigentlich eine sehr schöne Zeit. Wir haben viel mit Proben verbracht. Immer wenn ich mit meinen Arbeitsstunden fertig war, um drei oder um vier, war ich im Austrian Centre tätig. Dort habe ich auch meinen zweiten Mann [Heinz Hollitscher] kennengelernt, er war Chorleiter von dieser Spielgruppe.

 

 

Als sich der Bombenkrieg verschärfte, übersiedelte das Kinderheim Anna Freuds in die Provinz. Hedy Hollitscher arbeitete dann in einer Fabrik, einem Kriegsbetrieb, und abends als Bibliothekarin im Austrian Centre. Bald nach Kriegsende kehrt sie mit ihrem Mann und ihrem Kind nach Wien zurück.

 

 

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