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Zur Nazifizierung der Strafjustiz in Österreich 1938 - 1945

2005 abgeschlossen

Ein Kooperationsprojekt der Philipps-Universität Marburg und des DÖW

 

Projektbetreuung: Dr. Ursula Schwarz (e-mail)

 

Der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 zog grundlegende Änderungen auf den Gebieten Verwaltung, Justiz, aber auch in territorialer Hinsicht nach sich. Bereits im April und Mai 1938 erfolgte die Einsetzung einer Unzahl von Gesetzen, Verordnungen und Verfügungen in Österreich. Auch auf dem Gebiet des Strafrechts wurden Veränderungen durchgeführt: Einerseits übernahm das NS-Regime einen Großteil des bestehenden österreichischen Strafgesetzes, andererseits wurde in wichtigen Teilbereichen - hier vor allem auf dem Gebiet des politischen und politisierten Strafrechts - das reichsdeutsche Recht eingesetzt. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen des Projekts eine detaillierte Übersicht über die neu in Geltung gekommenen Rechtsnormen und die Darstellung ihres Inhalts, die vor allem die österreichischen Besonderheiten betont, erarbeitet. Weiters konnten die Veränderungen der Gerichtsorganisation dargestellt werden, wobei zwei Entwicklungslinien signifikant waren: Die Einführung und Ausgestaltung der mit der Durchsetzung von NS-Zielen im Wege des Strafverfahrens betrauten Sondergerichtsbarkeit (Volksgerichtshof, politische Senate der Oberlandesgerichte und Sondergerichte, aber auch die Wehrmachts-, SS- und Polizeigerichte) einerseits sowie die mit Kriegsbeginn einsetzenden Bestrebungen zur Verfahrensvereinfachung und -verkürzung andererseits. Diese Entwicklungslinien wurden in mehreren Aufsätzen behandelt und in ihren komplexen Zusammenhängen transparent gemacht, so dass sich nun ein anschauliches Bild dieses bisher nicht bearbeiteten Gebiets der NS-Herrschaft ergibt.

 

Der zweite Teil des Projekts zielte auf die Erfassung aller Richter und Staatsanwälte (1.512 Personen), die während der NS-Zeit in Österreich tätig waren, ab. Hier wurden einerseits biographische Daten (wie Geburtsdatum, Familienstand, Anzahl der Kinder, Beruf des Vaters, Wohnort usw.) und andererseits Karrieredaten (wie Amtstitel, Dienstorte, eine allfällige Entlassung 1945, die Weiterverwendung nach 1945 und das tatsächliche Dienstende) sowie politische Zugehörigkeiten (insbesondere legale und/oder illegale NSDAP-Mitgliedschaft, Grad der Belastung nach dem Verbotsgesetz) EDV-gestützt erfasst. In zwei Beiträgen wurden die Änderungen in der Ausbildung der Juristen nach 1938 bzw. die nach 1945 vom Volksgericht Wien belangten NS-Richter und -Staatsanwälte behandelt. Im Zuge der Arbeiten konnten einige besonders aufschlussreiche, bislang nicht bekannte Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv bzw. im Oberösterreichischen Landesarchiv gefunden werden. So wurde z. B. erstmals eine Liste jener Justizjuristen erstellt, die 1938/39 aus politischen oder rassistischen Gründen zwangspensioniert oder entlassen worden waren. Eine Publikation des Endberichts wird vorbereitet.

 

Das Projekt ist integrierender Bestandteil der 1998 von der Philipps-Universität Marburg, Institute für Kriminalwissenschaft und Politikwissenschaft, und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes aufgenommenen längerfristigen Kooperation zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der NS-Justiz in Österreich.

 

 

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