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Von der "Wiedergutmachung" leben? Keine Steuern bezahlen?

Maßnahmen der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus - Ein kurzer Überblick

Brigitte Bailer

 

 

Die Maßnahmen der Republik Österreich für die überlebenden Opfer des Nationalsozialismus, fälschlich oft als "Wiedergutmachung" bezeichnet, waren auf verschiedene Gesetze aufgeteilt, es galten jeweils andere Antragsfristen und nicht alle Gruppen ehemals Verfolgter wurden sofort nach 1945 in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen. Die Opfer der nationalsozialistischen Erbgesundheitspolitik oder als angeblich "asozial" verfolgte Menschen wurden erst in den 1990er-Jahren bzw. nach der Jahrhundertwende anspruchsberechtigt. Im Zentrum der in einem ersten Schritt schon 1945 beschlossenen Fürsorgemaßnahmen (Opferfürsorgegesetz) standen die ehemals politisch Verfolgten und WiderstandskämpferInnen. Erst einige Jahre später konnten auch jüdische Verfolgte, die aufgrund ihrer Verfolgung und ihres schlechten Gesundheitszustands nicht in der Lage waren, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, bescheidene fortlaufende Zahlungen aus diesem Gesetz erhalten, allerdings nur, wenn sie nach wie vor österreichische StaatsbürgerInnen waren. Jene Vertriebenen, die die Staatsangehörigkeit ihres Zufluchtslandes angenommen hatten, und das war die überwältigende Mehrheit der Überlebenden, waren von solchen fortdauernden Leistungen ausgeschlossen. Sie konnten nur Entschädigung für Haftzeiten sowie für erzwungenen Abbruch der Schulausbildung und Freiheitsbeschränkungen beanspruchen. Dies waren Einmalzahlungen in geringer Höhe.

 

Die Rückstellung entzogenen Eigentums wiederum gestaltete sich ebenso schwierig. Die gesetzliche Lage war unübersichtlich, Antragsfristen wurden in unregelmäßigen Abständen verlängert, bis sie 1954 endgültig ausliefen. Rückgestellt konnte nur jenes Eigentum werden, das noch vorhanden und auffindbar war. Da mehr als zwei Drittel der Betriebe mit jüdischen EigentümerInnen nach der "Arisierung" liquidiert worden waren, konnte hier keine Rückstellung erfolgen. Hauptsächlich Häuser, Grundstücke und große Betriebe waren Gegenstand der Rückstellungen. Vor allem die Rückübertragung jenes Eigentums, das sich nach 1945 in privater Hand befand, gestaltete sich langwierig und unbefriedigend. Die zuständigen Rückstellungskommissionen legten unbestimmte Gesetzesbegriffe oftmals zulasten der Geschädigten aus, die in vielen Fällen sozusagen gezwungen waren, ihr geraubtes Eigentum wieder zurückzukaufen. Spätere Entschädigungsmaßnahmen für eingezogene Bankkonten oder als Abgeltung ungerechtfertigter, diskriminierender Steuern entschädigten nicht die volle Schadenssumme, sondern immer nur einen Bruchteil des entstandenen Schadens. Das trifft in besonderem Maße auch auf den aufgrund des Washingtoner Abkommens von 2001 ins Leben gerufenen Entschädigungsfonds zu, aus dem sehr bescheidene Summen unter anderem auch für die 1938 liquidierten Betriebe und "arisierte" Mietwohnungen bezahlt wurden. Für diese Wohnungen hatte es nämlich kein Rückstellungsgesetz gegeben.

 

Nach zahllosen Änderungen und entsprechend lange nach Kriegsende wurden nach und nach auch die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche der Verfolgten geregelt.

 

Insgesamt wurde in keinem Fall der tatsächlich aus der Verfolgung resultierende Schaden ersetzt, sogenannte Opferrenten konnte nur ein sehr kleiner Teil der ehemals Verfolgten erhalten. Von Wiedergutmachung im Sinne von "wieder gut machen" kann angesichts der unermesslichen menschlichen Verluste – mindestens 66.000 österreichische Jüdinnen und Juden fielen dem Holocaust zum Opfer – und angesichts des totalen Verlustes alles Eigentums infolge der Verfolgung in keiner Weise gesprochen werden. Auch die immer wieder behauptete Steuerbefreiung von Jüdinnen und Juden oder anderen NS-Verfolgten ist ein Mythos, diese ist in keiner Steuergesetzgebung nach 1945 zu finden, wie auch ein im Auftrag der Historikerkommission durchgeführtes Projekt nochmals nachgewiesen hat. Nur das Opferfürsorgegesetz sieht für anerkannte NS-Opfer einen kleinen, im Einkommenssteuergesetz bzw. im Opferfürsorgegesetz nachzulesenden Steuerfreibetrag vor. Und die Rückübertragung des Eigentums im Zuge der Rückstellungen war wenigstens steuerfrei.

 

Das oft behauptete "Geschäft" der Überlebenden mit der "Wiedergutmachung" wäre ein sehr schlechtes gewesen und ist daher ebenso in das Reich der Legenden zu verweisen.

 

 

Literatur: Clemens Jabloner et al., Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Wien-München 2003 (= Berichte der Österreichischen Historikerkommission Bd. 1).

 

 

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